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Pionierinnen der Bergfotografie

Ihre alpinen Erlebnisse in Bildern veröffentlichten sie oft unter Pseudonymen, dem Namen ihrer jeweiligen Ehepartner. Viele Fotografinnen arbeiteten in den Labors ihrer Ehemänner, wie Martha Attinger, Hanni Bernhard oder Rose Marie Schudel-Ingold, und fanden – bis auf Annoncen für ihr Handwerk in regionalen Zeitungen – kaum Beachtung.

Die wohl erste bekannte Bergfotografin war Franziska Möllinger (1817–1880) aus Trier, die 1836 als junge Frau nach Solothurn kam; bereits 1844 erstellte sie Daguerreotypien des Berner Oberlandes und vertrieb diese als Lithografien. Eine der ersten Bergfotografinnen, die sich alpinistisch wie künstlerisch mit Vittorio Sella messen konnte, war Baronesse Giulia de Rolland (1842–1929), die 1893 bei der Ausstellung des CAI in Turin eine Bronzemedaille erhielt. Ihre Fotos allerdings sind verschollen. Viele der frühen Alpinistinnen wie Lily Bristow (1864–1935), Hermine Tauscher-Geduly (1843–1923) oder Miriam O’Brien (1898–1976) illustrierten umfangreiche Berichte über die Bergtouren ihrer Männer oder Bergkameraden mit selbst angefertigten Fotografien. Die Aufzählung aller fotografierenden Alpinistinnen der Zeit zwischen 1865 und 1920 würde diese virtuelle Ausstellung sprengen. Vier wurden hier ausgewählt, wobei Elizabeth Main als hervorragende Fotografin, Alpinistin und „Begründerin“ des Winteralpinismus einen besonderen Platz einnimmt. Mit Gertrude Bell, Annie Smith Peck und Una May Cameron werden drei weitere Alpinistinnen, Reiseschriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen mit ihren Werken vorgestellt.

 

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(Wikimedia Commons)

Elizabeth Alice Frances Hawkins-Whitshed (1861–1934)

Verwitwete Burnaby, verwitwete Main, seit 1900 Elizabeth Aubrey Le Blond

geb. in Greystones/County Wicklow, damals Großbritannien, heute Irland, gest. in Llandridod Wells/Wales, Großbritannien

Alpinistin, Fotografin, Schriftstellerin

Als irische Landadelige entdeckte sie während eines Erholungsurlaubs 1881 die alpine Welt, bestieg ein Jahr später den Grandes Jorasses und den Mont Blanc, 1883 als Erstbesteigung den La Vierge. Ab 1883 bis 1900 im „Engadiner Kulmhotel“ in St. Moritz wohnend, erklomm sie, ökonomisch gut abgesichert, dem Viktorianischen Gesellschaftskorsett entfliehend, meist im Winter, eine Vielzahl fordernder Berge wie Dufourspitze, Dent du Geant, Diavolezza. Sie führte 24 Erstbesteigungen in Norwegen durch und belebte das Gesellschaftsleben in St. Moritz durch Mitveranstaltung von Eislauf-, Curling-, Schlitten- und sonstigen Wintersport -Wettbewerben.

1907 gründete sie – da Frauen weder im Alpine Club noch in anderen Alpenvereinen aufgenommen wurden – den Ladies Alpine Club in London und war deren 1. Vorsitzende bis 1912.

Neben dem Bergsteigen galt ihre zweite Leidenschaft der Fotografie; als eine der ersten überhaupt brachte sie, wie Vittorio Sella, einen künstlerischen Aspekt in ihre Aufnahmen, und ihre Bilder sind durch einfühlsame Naturbeobachtung gekennzeichnet. Sie benutzte als eine der ersten Trocken- und Lumiere- Platten, verwendete eine Shew-Xit-Faltkamera sowie Weitwinkelobjektive der Fa. Ross. Von den entwickelten Platten fertigte sie meist Albumin-Abzüge an. Als Mitglied der Royal Photographic Society wurden ihre Bilder mehrfach ausgezeichnet und in vielen alpinen Dokumentationen veröffentlicht. Mit Filmaufnahmen von Rodel- und Rennschlitten-Abfahrten versuchte sie sich zwischen 1899 und 1902 ebenfalls als Filmpionierin.

 

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(Alpine Club London)

Gertrude Bell (1868–1926)

Gertrude Margaret Lowthian Bell

Geb. in Washington Hall/County Durham, Großbritannien, gest. in Bagdad, damals britisches Mandat, heute Irak

Alpinistin, Archäologin, Diplomatin

Aus einer britischen Industriellenfamilie stammend kam Gertrude Bell um 1901 in die Schweiz, begeisterte sich für das Bergsteigen und wurde zu einer der besten und mutigsten Alpinistinnen um 1900. Sie erklomm das Matterhorn und die Engelhörner – eine der von ihr erstbestiegenen Spitzen trägt den Namen Gertrudenspitze. Die wegen eines Wetterumsturzes abgebrochene Besteigung des Finsteraarhorns mit nächtlicher Biwakierung in der Ostwand machte sie zu einer alpinistischen Berühmtheit.

Sie bereiste mehrmals die Türkei, Kurdistan und den Mittleren Osten, erforschte als Archäologin die versunkene Kultur Mesopotamiens und war vor und nach dem Ersten Weltkrieg eine wichtige Diplomatin in royalen Diensten, die in der Gründung des Irak eine große Rolle spielte. Aufgrund dieser Verdienste gilt sie auch als weibliches Pendant zu Lawrence von Arabien.

Bell fotografierte ihre alpinen Abenteuer, die sie mit ihren Bergführern Heinrich und Ulrich Fuhrer 1901/02 in der Schweiz unternahm und begeisterte sich auch für die Bergwelt im Nahen Osten (Kurdistan, Libanon), die sie ebenfalls fotografisch festhielt.

 

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(The Brown Daily Herald)

Annie Smith Peck (1850–1932)

Geb. in Providence/Rhode Island, USA, gest. in New York City, USA

Alpinistin, Archäologin, Frauenrechtlerin

Annie Smith Peck stammte aus wohlhabendem Haus, studierte Archäologie, kam dann nach Europa und begeisterte sich fürs Bergsteigen. 1892 zurück in den USA bestieg sie dort mittelhohe Berge und 1895 das Matterhorn, wodurch sie als Alpinistin berühmt wurde. 1897 erklomm sie den Popocatepetl und als erste Frau den Pico de Orizoba in Mexiko, den höchsten Berg der westlichen Hemisphäre. 1900 wieder retour in Europa erreichte sie den Gipfel der Fünffingerspitze und des Monte Cristallo in den Südtiroler Dolomiten. 1902 war Peck Gründungsmitglied des American Alpine Club.

1908 wollte sie eine Erstbesteigung machen, mit den zwei Schweizer Bergführern Gabriel Zumtaugwald und Rudolf Taugwalder ging es erfolglos auf den Illampu in Bolivien, dann im vierten Versuch erfolgreich auf den Huascaran Norte in Peru. Dessen Höhe berechnete sie mit 7.315 m (660 m zu viel) und beanspruchte den Höhenrekord für Frauen für sich. Ihre Konkurrentin Fanny Bullock-Workman, die den Pinnacle Peak im Himalaya (6.930 m) bestiegen hatte, machte ihr den Höhenrekord allerdings (mit Recht) streitig. Neben ihrer Bergsteigerkarriere arbeitete Peck als Lektorin an verschiedenen Universitäten und engagierte sich für die wirtschaftlich-soziale Entwicklung in Südamerika.

1911, mit 61 Jahren, bestieg Annie Smith Peck als Erste den Coropunas (6.377 m) in Peru. Das Gipfelfoto zeigt sie mit einem Banner, auf dem „Frauenwahlrecht“ zu lesen ist.

 

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(National Library of Scotland)

Una May Cameron (1904–1987)

Geb. in West Linton/Schottland, Großbritannien, gest. in Buckingham, Großbritannien

Alpinistin, Künstlerin, Fotografin, Spionin

Una May Cameron, aus gutbürgerlichem Hause stammend, kam mit ihrer Mutter beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Montreux in die Schweiz, wo sie sich für die Kletterei begeisterte. Nach ihrer Ausbildung als bildende Künstlerin (Holzschnitt) unternahm sie mit ihrer Freundin Hazel Jackson ab 1928/29 zahlreiche Touren in den Julischen Alpen, in den Südtiroler Dolomiten (Große Cir-Spitze, Punta Fiammes, Cinque Torri), im Mont Blanc-Gebiet (Peuterey-Grat, Tete Rousse, Brenvaflanke), 1932 mit ihren Bergführern Edouard Bareux und Elisee Croux im Kaukasus (Kasbek-Gebiet), 1933 in den kanadischen Rocky Mountains, 1938 in Ostafrika (Kilimandscharo und Mt. Kenia, Mt. Speke, Mt. Baker im Ruwenzori-Gebiet) sowie in Borneo (Low’s Peak).

Seit 1929 war Una May Cameron Mitglied des Ladies Alpine Club, 1956–1958 sogar dessen Präsidentin. Auch sie verstieß dauernd gegen gesellschaftliche Konventionen, trug sie doch fast ausschließlich Hosen und rauchte Pfeife. Ihr bevorzugter Aufenthaltsort war Courmayeur im italienischen Aostatal. Sie hinterließ eine Fülle von Tagebüchern und Fotografien.

 

Kurator:

Dr. Richard Piock, geb. 1947 in Meran/Südtirol, Studium der Handelswissenschaften in Wien, 1986 bis 2012 CEO der Durst Phototechnik AG, Gründer der Initiative „Vordenken für Osttirol“, 2016 bis 2021 ehrenamtlicher Geschäftsführer der Regional-Entwicklungsgesellschaft „Innos GmbH“, Obmann des TAP und des TAP – Süd (Bruneck).

 

(Online seit 08.03.2025)

 

Weiterführende Literatur (Auswahl)

Historische Literatur

Edwards, Amelia B., Untrodden Peaks and Unfrequented Valleys. A Midsummer Ramble in the Dolomites, 2nd Edition, London 1890 (1st Edition 1873).

Fox Tuckett, Elizabeth, Zigzagging amongst Dolomites, London 1871.

Peck, Annie Smith, A Search for the Apex of America. High Mountain Climbing in Peru and Bolivia including conquest of Huascaran. With some Observations on the country and people below., Michigan 1912.

Dies., The South American Tour. A descriptive guide, New York 1916.

Literatur

Britschgi, Markus/Fässler, Doris (Hrsg.), Elizabeth Main (1861–1934). Alpinistin, Fotografin, Schriftstellerin. Eine englische Lady entdeckt die Engadiner Alpen, Luzern 2003.

Köhler, Anette, Frauenbergsteigen. Auf der Suche nach einer vergessenen Seite der alpinen Geschichte, in: Alpenvereinsjahrbuch, Bd. 119 (1995), 161–168.

Piock, Richard, Berge im Fokus der Fotografen. Bergfotografie zwischen Wissenschaft, Dokumentation und Kunst, in: Kofler, Martin/Piock, Richard/LUMEN (Hrsg.), LUMEN. Museum of Mountain Photography, Iselsberg-Stronach 2019, 38–49.

Runggaldier, Ingrid, Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte, Bozen 2011.

Sebastiani, Emanuela, Una Cameron, Perugia 2011.

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